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Berlin, 11.12.2014 / Pressemitteilung

"Berufliche Inklusion gelingt nur im Unternehmen"

Berlin – Am Vorabend des Welttages für Menschen mit Behinderung hat das Projekt "Wirtschaft inklusiv" am 2.12.2014 in der Landesvertretung der Freien und Hansestadt Hamburg seine Aktivitäten zur beruflichen Inklusion von Menschen mit Behinderung vorgestellt. Abgeordnete sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus allen Fraktionen des Deutschen Bundestages und die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, Verena Bentele, zählten neben ranghohen Vertretern der Wirtschaft und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zu den Gästen. In acht Bundesländern setzt die  Bundesarbeitsgemeinschaft ambulante berufliche Rehabilitation (BAG abR) e.V. in enger Zusammenarbeit mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) das Projekt Wirtschaft inklusiv im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) um.

Ein „bundesweites Dienstleistungsnetz“ sieht der Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft ambulante berufliche Rehabilitation, Richard Nürnberger, durch die Mitglieder der BAG abR geknüpft. Unter ihrem Dach arbeiten wirtschaftsnahe Bildungsunternehmen zusammen, die Dienstleistungen im Bereich der beruflichen Rehabilitation erbringen. Dies sind die Bildungswerke der Wirtschaft in Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachen, Berlin-Brandenburg, Thüringen und Sachsen-Anhalt, in Bayern die Gesellschaft zur Förderung beruflicher und sozialer Integration (gfi) gGmbH und die Beruflichen Fortbildungszentren der bayerischen Wirtschaft (bfz) gGmbH, die zum Bildungswerk der bayerischen Wirtschaft (bbw) gehören, sowie in den übrigen Bundesländern die Fortbildungsakademie der Wirtschaft (FAW) gGmbH.

Wirtschaft inklusiv könne auf die Erfahrung der BAG abR in der individuellen beruflichen Rehabilitation für tagtäglich 12.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer bauen, so Nürnberger. Die BAG abR begrüße die wachsende Bedeutung der Prävention und setze weiterhin auf eine wohnort- und betriebsnahe berufliche Rehabilitation, die eine Integration unter realen Bedingungen ermögliche.

Die Mitglieder der BAG abR arbeiteten damit ganz im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention. Niemand könne bestreiten, „dass der Betrieb den inklusivsten Ort von Arbeit darstellt“, so der BAG abR-Vorsitzende. „Wirtschaft inklusiv" leistet als betriebsnahes Projekt eine nachhaltige, systematische Sensibilisierung und Unterstützung von Arbeitgebern, wie sie für die Inklusion im ersten Arbeitsmarkt dringend erforderlich ist“, betonte Richard Nürnberger.

Wirtschaftsnahe Ansprechpartner

Richard Fischels, Leiter der Unterabteilung Prävention, Rehabilitation und Behindertenpolitik im BMAS, verlieh in seinem engagierten Grußwort der Hoffnung Ausdruck, dass sich das betriebsnahe und arbeitgeberorientierte Projekt Wirtschaft inklusiv als eine passende Unterstützung für diejenigen Betriebe erweisen könne, die noch nicht ausreichend Menschen mit einer Schwerbehinderung beschäftigen. Bestätige sich der Erfolg, sei auch eine Fortsetzung unter gleichem Konzept vorstellbar.

Diesem Gedanken schloss sich die Leiterin des Bereichs Arbeitsmarktpolitik bei der BDA, Christina Ramb, an. Die BDA sei froh, ein Projekt wie Wirtschaft inklusiv mit auf den Weg gebracht zu haben. Denn Arbeitgeber bräuchten für mehr Inklusion wirtschaftsnahe Ansprechpartner wie sie Wirtschaft inklusiv mit seinen Beratern und Inklusionslotsen biete.

Diese konnten bereits während der ersten neun Monate des Projektes knapp 400 Unternehmen beraten, wie der Koordinator von Wirtschaft inklusiv, Manfred Otto-Albrecht, in seiner Zwischenbilanz aufzeigte. Dass das Projekt bereits Wirkung entfaltet, belegt auch ein Blick auf die 36 Veranstaltungen, an denen 862 Arbeitgebervertreter aus 554 Betrieben teilgenommen haben. Darüber hinaus wurden 453 Arbeitstreffen mit regionalen Akteuren wie z.B. den Agenturen für Arbeit, Jobcentern, Integrationsämtern, Integrationsfachdiensten, Arbeitgeberverbänden, Kammern und der Rentenversicherung für die Entwicklung einer koordinierten Zusammenarbeit genutzt.

Von der Inklusion zur Normalität

Dass berufliche Inklusion einen über den bloßen Gewinn einer Arbeitskraft hinausgehenden Nutzen für Unternehmen bedeutet, unterstrich die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, Verena Bentele. Es gehe ihr nicht um einen Wettbewerb zwischen Menschen mit und ohne Handikap, aber sie habe die Erfahrung gemacht, dass die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung dazu führe, Probleme aus neuer Perspektive zu betrachten oder Arbeitsaufgaben zu überdenken. Dies trage zu effizienter Arbeit bei. Sie sei stolz, ein Projekt wie Wirtschaft inklusiv unterstützen zu können, so Bentele, denn es führe Unternehmen u.a. durch ein Labyrinth aus Fragen – und trage dazu bei, dass Menschen mit Behinderung im Unternehmen Normalität würden.

Ein plastisches Beispiel dafür, wie Inklusion gelingt und Mehrwert mit sich bringt, bot die Hamburger Zahnärztin Marianela von Schuler Alarcón, in deren Team mehrere gehörlose und hörbehinderte Menschen arbeiten. Entscheidend sei, so von Schuler Alarcón, Hemmungen in der Kontaktaufnahme mit Menschen mit Behinderung zu überwinden. Dies sei der Schlüssel, um Menschen mit Behinderung wirklich zu integrieren und dadurch neue Chancen auch für Unternehmen zu erschließen.

Die ethische Verankerung des auch für das Projekt Wirtschaft inklusiv maßgeblichen Gedankens der Inklusion in den Menschenrechten veranschaulichte Professor Dr. Andreas Lob-Hüdepohl. Entscheidend und neu sei, so der Professor für Theologische Ethik an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin, dass sich der Inklusionsgedanke direkt auf die Würde des Menschen beziehe. In der Praxis bedeutet dies nichts anderes als einen Prozess der „Enthinderung auch im Betrieb“ und die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung nicht nur arbeitsmarktnah, sondern im realen Arbeitsleben.

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